DIE SCHLINGEN SATANS

32    Satan setzt alles daran, jene zu umgarnen, welche sich Christus anschließen möchten. So viele werden täglich von ihm überlistet ohne zu durchschauen, wie er wirkt. Dieses Kapitel gibt Einblick in Satans „Werkzeugkiste“ - denn er hat viele Mittel, mit denen er uns Menschen täuscht.


Gefährliche Schlingen

 

Der große Streit zwischen Christo und Satan, der beinahe 6000 Jahre lang unterhalten worden ist, wird bald zu Ende gehen, und der Boshafte verdoppelt seine Bemühungen, Christi Werk für die Menschen zu vereiteln und Seelen in seinen Schlingen zu verstricken. Das Ziel, wonach er strebt, ist, die Menschen in Dunkel und Unbußfertigkeit zu halten, bis das Mittleramt Christi beendet ist und es nicht länger ein Opfer für die Sünde gibt.

Wird keine besondere Anstrengung gemacht, seiner Macht zu widerstehen, herrscht in der Gemeinde und der Welt Gleichgültigkeit, dann ist Satan unbekümmert; denn da ist keine Gefahr vorhanden, die zu verlieren, welche er nach seinem Willen gefangen führt. Wird aber die Aufmerksamkeit auf ewige Dinge gelenkt und fragen Seelen: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?“, so ist er da, sucht mit seiner Macht der Macht Christi zu widerstehen und wirkt dem Einfluß des Heiligen Geistes entgegen.

Die Heilige Schrift sagt, daß bei einem gewissen Anlaß, „da die Kinder Gottes kamen und vor den Herrn traten, kam der Satan auch unter ihnen“ (Hiob 1, 6), nicht etwa, um vor dem ewigen König anzubeten, sondern um seine böswilligen Absichten gegen die Gerechten zu fördern. Dasselbe Ziel verfolgend ist er zugegen, wo die Menschen sich zum Gottesdienst versammeln. Wenn auch dem Auge verborgen, wirkt er doch mit allem Fleiß, die Gedanken der Anbetenden zu beherrschen. Einem geschickten Feldherrn gleich legt er seine Pläne im voraus. Sieht er, daß Gottes Boten die Heilige Schrift durchforschen, so merkt er sich den Gegenstand, der den Leuten vorgetragen werden soll. Dann wendet er alle seine List und Verschlagenheit an, um die Umstände so einzurichten, daß die Botschaft jene nicht erreichen kann, die er gerade über diesen Punkt täuschen will. Wer der Warnung am meisten bedarf, wird in irgendeine dringende Geschäftssache verwickelt, welche seine Anwesenheit verlangt, oder durch irgendein anderes Mittel vom Anhören der Worte abgehalten, die sich für ihn zu einem „Geruch des Lebens zum Leben“ erweisen könnten.

Satan sieht auch, wenn des Herrn Diener bedrückt sind wegen der geistlichen Finsternis, die das Volk einhüllt; er hört ihre ernsten Gebete um göttliche Gnade und um Macht, den Zauber der Gleichgültigkeit, der Sorglosigkeit und der Trägheit zu brechen. Nun bringt er mit erneutem Eifer seine Anschläge in Anwendung. Er versucht die Menschen, der Eßlust zu frönen oder sich irgendeiner anderen Selbstbefriedigung hinzugeben und betäubt auf diese Weise ihr feines Gefühl, so daß sie gerade die Dinge nicht hören, welche sie zu lernen so sehr nötig haben.

Der böse Feind weiß wohl, daß alle, welche er verleiten kann, das Gebet und das Forschen in der Heiligen Schrift zu vernachlässigen, durch seine Angriffe überwunden werden. Deshalb erfindet er alle möglichen Pläne, um den Geist in Anspruch zu nehmen. Es hat von jeher eine Klasse von Menschen gegeben, welche vorgibt, gottselig zu leben, aber anstatt in der Erkenntnis der Wahrheit fortzuschreiten, es zu ihrer Religion macht, irgendeinen Fehler des Charakters oder einen Irrtum im Glauben an denen zu suchen, mit welchen sie nicht übereinstimmen. Solche Seelen sind Satans Hauptgehilfen. Es gibt viele Verkläger der Brüder, und man findet sie stets tätig, wenn Gott am Wirken ist und seine Diener ihm wahre Huldigung erweisen. Sie werfen auf die Worte und Handlungen derer, welche die Wahrheit lieben und ihr gehorchen, ein falsches Licht und stellen die sehr ernsten, eifrigen, selbstverleugnenden Diener Christi als Betrogene oder als Betrüger hin. Sie mißdeuten die Beweggründe jeder guten und edlen Tat, bringen Andeutungen in Umlauf und erwecken Argwohn in den Gemütern der Unerfahrenen. In jeder denkbaren Weise trachten sie danach, daß das Reine und Gerechte als verderbt und trügerisch angesehen werde.

Aber niemand braucht betreffs ihrer getäuscht zu werden. Es läßt sich leicht ersehen, wessen Kinder sie sind, wessen Beispiel sie folgen und wessen Werke sie tun. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ (Matth. 7, 16.) Ihr Benehmen gleicht demjenigen Satans, dem giftigen Verleumder, dem „Verkläger der Brüder.“ (Offb. 12, 10.)

Der große Betrüger hat viele Vertreter, die bereitwillig irgendwelche und jegliche Art von Irrtum ersinnen, um Seelen zu verstricken - Ketzereien, die dazu angelegt sind, sich dem verschiedenen Geschmack und Fassungsvermögen derer anzupassen, die er verderben möchte. Es ist sein Plan, unaufrichtige, unwiedergeborene Personen in die Gemeinde zu bringen, welche Zweifel und Unglauben ermutigen und all denen hindernd in den Weg treten, die Gottes Werk gefördert sehen und mit ihm vorwärts kommen möchten. Viele, welche keinen wirklichen Glauben an Gott oder an sein Wort haben, stimmen gewissen Grundsätzen der Wahrheit bei und gelten als Christen und führen dadurch ihre Irrtümer als schriftgemäße Lehren ein.

Die Behauptung, daß es nichts ausmache, was die Menschen glauben, ist eine der erfolgreichsten Täuschungen Satans. Er weiß, daß die in Liebe aufgenommene Wahrheit die Seele des Empfängers heiligt; deshalb sucht er beständig falsche Theorien, Fabeln, ein anderes Evangelium unterzuschieben. Von Anbeginn an haben Gottes Diener gegen falsche Lehrer gekämpft, nicht nur als gegen lasterhafte Menschen, sondern als gegen Verbreiter von Irrtümern, die der Seele zum Verderben gereichen. Elia, Jeremia, Paulus widersetzten sich jenen, welche die Menschen von dem Worte Gottes abwendig machten, mit Entschiedenheit und Furchtlosigkeit. Jener Freisinn, der einen richtigen religiösen Glauben als unwichtig betrachtet, fand keine Anerkennung bei diesen heiligen Verteidigern der Wahrheit.

Die leeren und überspannten Auslegungen der Heiligen Schrift und die vielen sich widersprechenden Ansichten über den religiösen Glauben, wie sie unter Christen gefunden werden, sind das Werk unseres großen Widersachers, der die Gemüter so verwirren will, daß sie die Wahrheit nicht unterscheiden können. Und die Uneinigkeit und Spaltungen, wie sie in den christlichen Gemeinschaften bestehen, sind vorwiegend dem herrschenden Gebrauch zuzuschreiben, die Heilige Schrift zu verdrehen, um eine beliebte Ansicht zu unterstützen. Anstatt Gottes Wort sorgfältig mit demütigem Herzen zu studieren, um die Kenntnis seines Willens zu erlangen, suchen viele nur darin, um etwas Wunderliches oder Eigentümliches zu entdecken.

Um irrtümliche Lehren oder unchristliche Gebräuche zu unterstützen, greifen etliche gewisse Schriftstellen aus dem Zusammenhang heraus und führen vielleicht die Hälfte eines einzelnen Verses zur Bestätigung ihrer Behauptung an, wenngleich der übrige Teil den Sinn als ganz entgegengesetzt zeigen würde. Mit der Schlauheit der Schlange verschanzen sie sich hinter unzusammenhängenden Äußerungen, aufgestellt, um ihren fleischlichen Gelüsten zu entsprechen. So verdrehen viele absichtlich das Wort Gottes. Andere, welche eine lebendige Einbildung besitzen, nehmen die Bilder und Sinnbilder der Heiligen Schrift, legen sie aus, wie es ihrer Phantasie paßt, mit wenig Rücksicht auf das Zeugnis des Wortes Gottes als eigener Ausleger und bringen dann ihre Einfälle als die Lehren der Bibel vor.

Wird das Studium der Heiligen Schrift ohne einen betenden, demütigen, gelehrigen Geist unternommen, dann werden stets sowohl die einfachsten und deutlichsten als auch die schweren Stellen ihrem wahren Sinne nach entstellt. Die päpstlichen Würdenträger wählen solche Teile der Heiligen Schrift, welche ihrem Zwecke am besten dienen, legen sie aus, wie es ihnen paßt und tragen sie dann dem Volke vor, während sie ihm das Vorrecht, die Bibel zu studieren und deren heilige Wahrheiten für sich selbst zu verstehen, versagen. Die ganze Bibel sollte dem Volk eingehändigt werden, geradeso wie sie lautet. Es wäre besser, ihm überhaupt keinen biblischen Unterricht zu erteilen, als die Lehren der Heiligen Schrift auf so grobe Weise zu fälschen.

Die Bibel war bestimmt, allen denen ein Führer zu sein, die mit dem Willen ihres Schöpfers bekannt zu werden wünschen. Gott gab dem Menschen das feste prophetische Wort; Engel und sogar Christus selbst kamen, um Daniel und Johannes die Dinge kundzutun, die binnen kurzem sich zutragen müssen. Jene wichtigen Angelegenheiten betreffs unseres Heils blieben keineswegs geheimnisvoll, wurden auch nicht in einer solchen Weise offenbart, daß sie den aufrichtigen Forscher nach Wahrheit verwirren oder irreleiten konnten. Der Herr sagte durch den Propheten Habakuk: „Schreib das Gesicht und male es auf eine Tafel, daß es lesen könne, wer vorüberläuft.“ (Hab. 2, 2.) Das Wort Gottes ist allen verständlich, die darin mit betendem Herzen forschen. Jede wahrhaft aufrichtige Seele wird zum Licht der Wahrheit gelangen. „Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen.“ (Ps. 97, 11.) Und keine Gemeinde kann in der Heiligung Fortschritte machen, es sei denn, daß ihre Mitglieder nach der Wahrheit suchen wie nach einem verborgenen Schatz.

Durch den Ruf: Nur nicht engherzig! werden die Menschen blind gegen die Pläne ihres Widersachers, während er beständig auf die Erreichung seiner Absicht hinwirkt. Gelingt es , die Bibel durch menschliche Ansichten zu verdrängen, dann wird das Gesetz Gottes beiseite gesetzt, und die Kirchen stehen unter der Knechtschaft der Sünde, während sie den Anspruch erheben, frei zu sein.

Vielen ist die wissenschaftliche Forschung zum Fluch geworden. Gott hat der Welt viel Licht zu den Entdeckungen in der Wissenschaft und Kunst gegeben; aber selbst die größten Geister werden, wenn nicht vom Geiste Gottes geleitet, verwirrt, wenn sie versuchen, die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Offenbarung zu ergründen.

Die menschliche Erkenntnis, sowohl in materiellen als auch in geistlichen Dingen, ist Stückwerk und unvollkommen; deshalb sind viele nicht imstande, ihre wissenschaftlichen Ansichten mit schriftgemäßen Erklärungen zu vereinigen. Manche nehmen bloße Theorien und Spekulationen als wissenschaftliche Tatsachen an und meinen, das Wort Gottes müsse an „der falsch berühmten Kunst“ geprüft werden. (l. Tim. 6, 20.) Der Schöpfer und seine Werke gehen über ihr Begriffsvermögen hinaus, und weil sie sie nicht durch natürliche Gesetze erklären können, wird die biblische Geschichte als unzuverlässig betrachtet, und wenn sie die Berichte des Alten und Neuen Testaments bezweifeln, gehen sie nur zu oft noch einen Schritt weiter und stellen das Dasein Gottes in Frage und schreiben der Natur eine unendliche Macht zu. Wenn sie also ihren Anker losgelassen haben, werden sie an die Felsen des Unglaubens verschlagen.

Auf diese Weise irren viele vom Glauben ab und werden vom Teufel verführt. Die Menschen haben sich bestrebt, weiser zu sein als ihr Schöpfer; menschliche Weisheit hat es versucht, Geheimnisse zu ergründen und zu erklären, welche in Ewigkeit nicht offenbar werden. Wollten die Menschen doch untersuchen und verstehen, was Gott von sich selbst und seinen Ratschlägen bekanntgemacht hat, so würden sie einen solchen Blick von der Herrlichkeit, Majestät und Macht Jehovas gewinnen, daß sie ihre eigene Kleinheit einsehen und zufrieden sein würden mit dem, was ihnen und ihren Kindern offenbart worden ist.

Satans Meisterstück der Täuscherei besteht darin, den Geist der Menschen am Suchen und Vermuten zu erhalten bezüglich dessen, was Gott nicht kundgetan hat und was er nicht will, daß wir verstehen sollen. Auf diese Weise verlor Luzifer seinen Platz im Himmel. Er wurde unzufrieden, weil ihm nicht alle Geheimnisse der Ratschläge Gottes anvertraut wurden und mißachtete völlig das, was ihm offenbart wurde über sein eigenes Werk in der ihm zugewiesenen erhabenen Stellung. Indem er dieselbe Unzufriedenheit in den Herzen der seinem Befehl unterstellten Engel erweckte, verursachte er ihren Fall. Jetzt versucht er denselben Geist auf die Menschen zu übertragen und sie ebenfalls zu verleiten, die direkten Gebote Gottes zu mißachten.

Die nicht willens sind, die deutlichen, scharfen Wahrheiten der Bibel anzunehmen, suchen beständig nach angenehmen Fabeln, welche das Gewissen beruhigen. Je weniger geistlich, selbstverleugnend und demütigend die vorgetragenen Lehren sind, mit desto größerer Gunst werden sie aufgenommen. Solche Leute würdigen die Kräfte des Verstandes herab, ihren fleischlichen Begierden zu frönen. In ihrem Hochmut zu weise, um in der Heiligen Schrift mit Zerknirschung des Herzens und unter ernstem Gebet um göttliche Leitung zu suchen, haben sie keinen Schild gegen die Verblendung. Satan steht bereit, das Verlangen des Herzens zu stillen und setzt seine Täuschungen an die Stelle der Wahrheit. Auf diese Weise gewann das Papsttum seine Macht über die Menschen, und durch die Verwerfung der Wahrheit, weil diese ein Kreuz in sich schließt, verfolgen die Protestanten denselben Pfad. Alle, welche das Wort Gottes vernachlässigen, um sich mit Bequemlichkeit und Klugheit zu beraten, auf daß sie sich nicht von der Welt unterscheiden, werden verdammungswürdige Ketzerei für religiöse Wahrheit empfangen. Jede erdenkliche Form des Irrtums wird von denen angenommen werden, welche die Wahrheit vorsätzlich verwerfen. Wer mit Schrecken auf eine Täuschung sehen mag, wird eine andere willig annehmen. Der Apostel Paulus spricht von Menschen, welche „die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, auf daß sie selig würden“, und sagt von ihnen: „Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben der Lüge, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit.“ (2. Thess. 2, 10-12.) Mit solcher Warnung vor Augen geziemt es uns, auf unserer Hut zu sein bezüglich der Lehren, die wir annehmen.

Zu den erfolgreichsten Werkzeugen des großen Betrügers gehören die trügerischen Lehren und lügenhaften Wunder des Spiritismus. Indem er sich zu einem Engel des Lichts verstellt, wirft er seine Netze aus, wo es am wenigsten vermutet wird. Möchten die Menschen doch das Buch Gottes unter ernstem Gebet erforschen, um seine Lehren zu verstehen, so würden sie nicht in der Finsternis bleiben und falsche Lehren annehmen. Weil sie aber die Wahrheit verwerfen, fallen sie der Täuschung zur Beute.

Ein anderer gefährlicher Irrtum ist die Lehre, welche die Gottheit Christi verleugnet und behauptet, daß er vor seinem Kommen in diese Welt kein Dasein hatte. Diese Ansicht wird von vielen günstig aufgenommen, welche vorgeben, an die Bibel zu glauben; dennoch widerspricht sie den deutlichsten Erklärungen unseres Heilandes über seine Verwandtschaft zum Vater, seinen göttlichen Charakter und sein früheres Dasein. Man kann diese Ansicht nicht aufrecht halten, ohne die Heilige Schrift auf die unverantwortlichste Weise zu verdrehen. Sie erniedrigt nicht nur des Menschen Begriff von dem Erlösungswerk, sondern untergräbt auch den Glauben an die Bibel als eine Offenbarung Gottes. Je gefährlicher sie dadurch wird, desto schwieriger ist es, ihr entgegenzutreten. Stellen die Menschen das Zeugnis der von Gott eingegebenen Heiligen Schrift über die Gottheit Christi in Abrede, so wird man diesen Punkt vergebens mit ihnen behandeln, denn kein auch noch so folgerichtiger Beweis wird sie überzeugen können. „Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich gerichtet sein.“ (l. Kor. 2, 14.) Befangen in diesem Irrtum kann keiner einen wahren Begriff weder von dem Charakter und dem Werke Christi noch von dem großen Plane Gottes zur Erlösung der Menschen haben.

Noch ein anderer fein angelegter und unheilbringender Irrtum besteht in dem sich schnell verbreitenden Glauben, daß Satan kein Dasein als ein persönliches Wesen habe; daß dieser Name in der Heiligen Schrift nur gebraucht werde, um der Menschen böse Gedanken und Begierden darzustellen.

Die so weithin von volkstümlichen Kanzeln herab ertönende Lehre, daß die zweite Ankunft Christi in seinem Kommen zu jedem einzelnen beim Tode bestehe, ist eine Erfindung, die die Gedanken der Menschen von seinem persönlichen Erscheinen in den Wolken des Himmels ablenken soll. Jahrelang hat Satan auf diese Weise gesagt: „Siehe, er ist in der Kammer“ (Matth. 24, 23-26); und viele Seelen sind verloren gegangen, weil sie diese Täuschung angenommen hatten.

Wiederum lehrt die weltliche Weisheit, daß das Gebet nicht wesentlich sei. Männer der Wissenschaft behaupten, daß es keine wirkliche Antwort auf ein Gebet geben könne; daß dies eine Verkehrung der Gesetze, ein Wunder sein würde, und daß es keine Wunder gebe. Das Weltall, sagen sie, wird von feststehenden Gesetzen regiert, und Gott selbst tut nichts, was diesen Gesetzen entgegen ist. Auf diese Weise stellen sie Gott dar, als ob er durch seine eigenen Gesetze gebunden sei; als ob die Wirkung göttlicher Gesetze die göttliche Freiheit ausschließen könne. Solche Lehre ist dem Zeugnis der Heiligen Schrift zuwider. Wurden nicht Wunder gewirkt durch Christum und seine Apostel? Derselbe erbarmungsvolle Heiland lebt heute noch, und er ist jetzt ebenso bereit, auf die Gebete des Glaubens zu hören wie damals, als er sichtbar unter den Menschen wandelte. Das Natürliche wirkt zusammen mit dem Übernatürlichen. Es ist ein Teil von Gottes Plan, uns in Erhörung des gläubigen Gebetes das zu gewähren, was er uns nicht verleihen würde, wenn wir nicht also zu ihm beteten.

Unzählig sind die irrtümlichen Lehren und die überspannten Vorstellungen, welche in den Kirchen der Christenheit bestehen. Es ist unmöglich, die bösen Folgen der Verrückung von auch nur einem durch das Wort Gottes festgesetzten Grenzstein zu schätzen. Nur wenige von denen, welche dies zu tun wagen, bleiben bei der Verwerfung einer Wahrheit stehen; die Mehrheit fährt fort, einen Grundsatz der Wahrheit nach dem andern zu verwerfen, bis sie tatsächlich Ungläubige werden.

Die Irrtümer der volkstümlichen Theologie haben manchen Menschen der Zweifelsucht in die Arme getrieben, der sonst bibelgläubig hätte werden können. Es ist ihm unmöglich, Lehren anzunehmen, welche seinen Begriffen von Gerechtigkeit, Gnade und Güte Gewalt antun; und wenn solche als Lehren der Bibel hingestellt werden, weigert er sich, sie als Gottes Wort anzuerkennen.

Dies ist der Zweck, welchen Satan zu erreichen sucht. Nichts wünscht er mehr, als das Vertrauen zu Gott und seinem Worte zu zerstören. Satan steht an der Spitze des großen Heeres von Zweiflern, und er arbeitet mit größter Anstrengung, um Seelen in seine Reihen zu ziehen. Das Zweifeln fängt an, Mode zu werden. Eine zahlreiche Klasse von Leuten sieht das Wort Gottes aus demselben Grunde wie seinen Urheber mit Mißtrauen an, weil es die Sünde straft und verurteilt. Die nicht willens sind, seinen Anforderungen zu gehorchen, bestreben sich, seine Autorität über den Haufen zu werfen. Sie lesen die Bibel oder lauschen auf deren Lehren, wie sie von der Kanzel herab verkündigt werden, nur um an der Heiligen Schrift oder an der Predigt etwas Tadelnswertes zu finden. Nicht wenige werden Ungläubige, um sich für die Vernachlässigung ihrer Pflicht zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Andere nehmen aus Stolz und Trägheit zweifelsüchtige Grundsätze an. Zu sehr für ein bequemes Leben eingenommen, um irgend etwas zu vollbringen, was der Ehre wert wäre oder was Anstrengung und Selbstverleugnung erforderte, zielen sie danach, sich einen Ruf höherer Weisheit zu verschaffen, indem sie die Bibel bekritteln. Es gibt dort vieles, was der von der göttlichen Weisheit unerleuchtete Verstand unmöglich verstehen kann; und auf diese Weise finden sie Anlaß zum Kritisieren. Viele scheinen anzunehmen, daß es eine Tugend sei, auf der Seite des Unglaubens und der Zweifelsucht zu stehen. Aber man wird finden, daß solche Leute unter einem Schein von Aufrichtigkeit und Wirklichkeit von Selbstvertrauen und Stolz angetrieben werden. Viele machen sich das größte Vergnügen daraus, etwas in der Heiligen Schrift zu finden, das andere in Verlegenheit bringt. Etliche kritisieren und disputieren auf der Seite des Unrechts, nur aus Liebe zum Wortstreit. Sie werden nicht gewahr, daß sie sich auf diese Weise selbst in die Schlinge des Voglers verstricken. Da sie aber offen ihrem Unglauben Ausdruck gegeben haben, glauben sie, ihre Stellung behaupten zu müssen. Auf diese Weise verbinden sie sich mit den Gottlosen und verschließen sich die Tore des Paradieses.

Gott hat in seinem Wort genügende Beweise von dessen göttlichem Ursprung gegeben. Die großen Wahrheiten, welche sich auf unsere Erlösung beziehen, sind klar vorgeführt. Mit der Hilfe des Heiligen Geistes, der allen, die aufrichtig darum bitten, verheißen ist, mag jedermann diese Wahrheiten für sich selbst verstehen. Gott hat den Menschen einen starken Grund verliehen, auf welchen sie ihren Glauben stützen können.

Doch der beschränkte Verstand der Menschen ist unzureichend, um die Pläne und Ratschlüsse des ewigen Gottes völlig zu erfassen. Wir können durch Forschen nie Gott ergründen. Wir dürfen es nicht unternehmen, mit vermessener Hand den Vorhang zu heben, mit dem er seine Majestät verhüllt. Der Apostel ruft aus: „Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“ (Röm. 11, 33.) Wir können sein Verfahren mit uns und die ihn leitenden Beweggründe so weit begreifen, daß wir unbegrenzte Liebe und Barmherzigkeit mit unendlicher Macht vereint, erkennen können. Unser himmlischer Vater ordnet alles in Weisheit und Gerechtigkeit, und wir dürfen nicht unzufrieden oder mißtrauisch sein, sondern müssen uns in ehrfurchtsvoller Unterwürfigkeit beugen. Er wird uns so viel von seinen Ratschlüssen enthüllen, wie zu wissen zu unserem Besten dient, und darüber hinaus müssen wir vertrauen auf die Hand, die allmächtig, auf das Herz, das voller Liebe ist.

Während Gott reichliche Beweise für den Glauben gibt, wird er niemals alles beseitigen, was zur Entschuldigung des Unglaubens dienen könnte. Wer nach irgendeiner Stütze für seinen Zweifel sucht, wird sie auch finden. Und wer sich weigert, Gottes Wort anzunehmen und zu befolgen, bis jeglicher Einwand beseitigt worden ist, so daß nicht länger ein Anlaß zum Zweifel besteht, wird nie zum Licht kommen.

Das Mißtrauen gegen Gott ist ein natürlicher Auswuchs des unerneuerten Herzens, das in Feindschaft wider Gott ist. Aber der Glaube wird von dem Heiligen Geist eingegeben und wird nur dann gedeihen, wenn er gepflegt wird. Niemand kann ohne eine entschlossene Anstrengung im Glauben erstarken. Der Unglaube verstärkt sich, je nachdem er ermutigt wird; und wenn Menschen, anstatt sich mit den Beweisen zu beschäftigen, welche Gott zur Bestätigung ihres Glaubens gegeben hat, es sich erlauben zu zweifeln und zu bekritteln, werden sie ihre Zweifel mehr und mehr bestätigt finden.

Die aber an Gottes Verheißungen zweifeln und den Versicherungen seiner Gnade mißtrauen, entehren ihn, und ihr Einfluß neigt dahin, andere von Christo zu entfernen, anstatt sie zu ihm zu ziehen. Sie sind unfruchtbare Bäume, die ihre dürren Zweige weit und breit ausbreiten und dadurch die anderen Pflanzen des Sonnenlichts berauben, so daß sie in dem kalten Schatten welken und sterben. Ihr Lebenswerk wird als ein unaufhörliches Zeugnis gegen sie erscheinen. Sie säen den Samen des Zweifels und des Unglaubens, der eine unausbleibliche Ernte tragen wird.

Es gibt nur einen Weg, den die einschlagen müssen, welche aufrichtig danach trachten, von Zweifeln befreit zu werden: anstatt das, was sie nicht verstehen, zu bezweifeln und zu bekritteln, müssen sie auf das bereits auf sie scheinende Licht achtgeben, und sie werden größeres Licht empfangen. Erfüllen sie jede Pflicht, die sie klar erkannt haben, dann werden sie befähigt, auch diejenige zu verstehen und auszuführen, über welche sie jetzt noch im Zweifel sind.

Satan vermag es, Fälschungen zu entwerfen, welche der Wahrheit so genau gleichen, daß Seelen von ihnen getäuscht werden, welche willig sind, sich täuschen zu lassen, welche das von der Wahrheit geforderte Opfer und die Selbstverleugnung umgehen möchten; es ist ihm jedoch unmöglich, eine Seele unter seiner Macht zu halten, welche aufrichtig wünscht, um jeden Preis die Wahrheit zu erkennen. Christus ist die Wahrheit und „das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ (Joh. 1, 9.) Der Geist der Wahrheit ist gesandt worden, um die Menschen in alle Wahrheit zu leiten. Und mit Autorität des Sohnes Gottes ist geschrieben: „Suchet, so werdet ihr finden.“ „So jemand will des [Vaters] Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei.“ (Matth. 7, 7; Joh. 7, 17.)

Die Nachfolger Christi wissen wenig von den Anschlägen, welche Satan und seine Scharen gegen sie schmieden. Er aber, der im Himmel thront, wird alle diese Pläne zur Ausführung seiner tiefen Ratschlüsse lenken. Der Herr läßt es zu, daß seine Kinder in die Feuerprobe der Versuchung geraten, nicht weil er an ihren Leiden und an ihrer Trübsal Wohlgefallen hätte, sondern weil dies Verfahren zu ihrem endlichen Siege wesentlich ist. Er kann sie nicht in Übereinstimmung mit seiner eigenen Vollkommenheit vor der Versuchung schützen; denn es ist gerade der Zweck der Prüfung, sie zuzubereiten, allen bösen Lockungen widerstehen zu können.

Weder gottlose Menschen noch Teufel können Gottes Werk hindern oder seine Gegenwart seinem Volk entziehen, wenn es mit gebeugtem, zerschlagenem Herzen seine Sünden bekennt und läßt und im Glauben seine Verheißungen beansprucht. Jeder Versuchung, jedem widerstreitenden Einfluß, ob offen oder geheim, kann erfolgreich widerstanden werden, „nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist,... spricht der Herr Zebaoth.“ (Sach. 4, 6.)

„Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet. ... Und wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommt?“ (l. Petr. 3, 12. 13.) Als Bileam, verlockt durch das Versprechen einer großen Belohnung, Zauberformeln gegen Israel anwandte und durch dem Herrn gebrachte Opfer einen Fluch über Gottes Volk zu bringen versuchte, wandte Gottes Geist das Übel, welches ausgesprochen werden sollte, ab, und Bileam sah sich gezwungen auszurufen: „Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht flucht? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt? ... Meine Seele müsse sterben des Todes der Gerechten, und mein Ende werde wie dieser Ende!“ Als abermals geopfert worden war, erklärte der gottlose Prophet: „Siehe, zu segnen bin ich hergebracht; er segnet und ich kann’s nicht wenden. Man sieht keine Mühe [Ungerechtigkeit] in Jakob und keine Arbeit [Verkehrtheit] in Israel. Der Herr, sein Gott, ist bei ihm und das Drommeten des Königs unter ihm. ... Denn es ist kein Zauberer in Jakob und kein Wahrsager in Israel. Zu seiner Zeit wird Jakob gesagt und Israel, was Gott tut!“ (4. Mose 23, 8. 10. 20. 21. 23; 24, 9.) Dennoch wurden zum drittenmal Altäre gebaut, und abermals versuchte Bileam einen Fluch auszusprechen. Durch die unwilligen Lippen des Propheten erklärte der Geist Gottes jedoch das Gedeihen seiner Auserwählten und strafte die Torheit und Bosheit ihrer Feinde: „Gesegnet sei, der dich segnet, und verflucht, der dir flucht.“

Zu dieser Zeit war das Volk Israel Gott treu, und solange es im Gehorsam gegen sein Gesetz beharrte, konnte keine Macht der Erde oder der Hölle es überwältigen. Aber schließlich gelang es Bileam doch, den Fluch, welchen er nicht über Gottes Volk aussprechen durfte, über es zu bringen, indem er es zur Sünde verleitete. Als es Gottes Gebote übertrat, trennte es sich von ihm und mußte die Macht des Verderbers fühlen.

Satan ist sich wohl bewußt, daß die schwächste Seele, die in Christo bleibt, es mit den Scharen der Finsternis mehr als aufnehmen kann und daß er, wenn er sich offen zeigt, ihr nicht standhalten kann, sondern überwunden wird. Deshalb versucht er, die Streiter des Kreuzes aus ihrer Festung herauszulocken, während er mit seinen Streitkräften im Hinterhalt liegt, bereit, alle zu verderben, welche sich auf sein Gebiet wagen sollten. Nur in demütigem Vertrauen auf Gott und im Gehorsam gegen alle seine Gebote können wir sicher sein.

Niemand ist auch nur für einen Tag oder eine Stunde ohne das Gebet sicher. Besonders sollten wir den Herrn um Weisheit bitten, sein Wort zu verstehen. Hier werden die Anschläge des Versuchers offenbart sowie auch die Mittel, durch welche er erfolgreich zurückgeschlagen werden kann. Satan ist sachkundig in der Anführung von Bibelstellen, denen er seine eigene Auslegung beifügt, um uns zu Fall zu bringen. Wir müssen die Bibel mit demütigem Herzen studieren und nie unsere Abhängigkeit von Gott außer Augen lassen. Während wir vor den Anschlägen Satans beständig auf der Hut sein müssen, sollten wir ohne Unterlaß im Glauben beten: „Führe uns nicht in Versuchung.“


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